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  • AutorenbildJulia Gauly

Wahrnehmungsstörung - Realer als man es sich vorstellen kann

"Eine Wahrnehmungsstörung ist eine Störung in der Verarbeitung von Sinneseindrücken im Zentralnervensystem" so lautet die Definition auf der Wikipedia-Seite. Es ist also nicht nur ein Sich-Falsch-Sehen, sondern eine Störung im Zentralnervensystem. Es laufen also tatsächlich Prozesse im Gehirn nicht richtig ab. Dies ist ein wirklich wichtiges Thema in der Bewältigung einer Essstörung, da dies ein Kernthema ist um langfristig gesund bleiben zu können.


"So dünn bin ich ja immer noch nicht" - "Da ist aber echt noch zu viel fett dran" - "Warum bin ich immer noch so dick, ich esse doch fast nichts mehr." - "Meine Beine sind immer noch nicht dünn."


Diese Gedanken haben mich täglich gequält. Ständig. Bei jedem Blick in den Spiegel. Sogar bei jeder verglasten Scheibe an der ich vorbeiging. Das schlimme war, dass es nicht nur ein reines Bewerten, sondern bittere Realität für mich war. Je dünner ich geworden bin, desto schlimmer wurde die verzerrte Wahrnehmung, aber das kann ich auch erst heute so einschätzen.


Zu Beginn der Therapie konnte ich noch nicht an der Wahrnehmungsstörung arbeiten. Denn als ich begann langsam zu zunehmen verschlechterte sich der Zustand der verzerrten Wahrnehmung zunächst. Jedes Gramm, dass ich auf der Waage sah, bemerkte ich doppelt und dreifach an meinem Körper. Erst als ich wieder in Richtung des Normalgewichts kam, war dies ein Hauptthema in der Therapie. Wir machten ganz am Ende meines Klinikaufenthalts eine Seilübung. Bei dieser Übung nimmt man ein Seil und legt den Umfang seiner Beine, Arme, Taille und Hüfte nach. Danach wird mit einem anderen Seil der Umfang tatsächlich gemessen. Diese zwei Umfänge werden dann nebeneinander bzw. ineinander gelegt. Es war erschreckend. Selbst zu diesem Zeitpunkt war meine Wahrnehmungsstörung noch ziemlich aktiv.



Es ist ein Thema an dem ich bis heute täglich arbeiten muss. Bei jedem Blick in dem Spiegel versuche ich negative Gedanken direkt zu stoppen. Es bringt nichts diesen abschätzigen Kommentaren Glauben zu schenken. Mein Körper ist wie er ist. Ich versuche lieber an jedem Körperteil zu schätzen, was ich an ihm habe. Ich bin dankbar, dass ich Beine habe, die mich von A nach B bringen. Ich bin dankbar für meinen Bauch, dass er all die wichtigen Organe schützt, die meinen Organismus am Leben halten. Ich bin dankbar für meine Arme, mit denen ich mich abstützen kann oder Dinge tragen kann.


Es ist auf keinen Fall leicht immer positiv zu denken, aber ich bemühe mich jeden Tag und bin guter Hoffnungen, dass es von Zeit zu Zeit leichter wird.


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